Ich habe gegenüber meinen spanischsprachigen Kollegen schon häufiger die Hoffnung geäußert, dass doch auch mal ein Patient auftauchen könnte, der nur deutsch spricht. Naja, das wird wohl noch einige Jahre dauern, aber vor kurzem habe ich Bekanntschaft mit einer Bronxbewohnerin aus einer anderen Zeit gemacht: Eine 88jährige gebürtige Badenerin, die bis 1934 u.a. in Kippenheim gelebt hat, gerade mal 20km von der Gegend meines Ausflugs im Juni. Es war ein merkwürdiges Gefühl, in der Coronary Care Unit plötzlich badisch zu hören, und ich muss zugeben, dass ich erleichtert war, dass meine Patientin offensichtlich deutsch immer noch als ihre Sprache betrachtete und ehrlich erfreut schien, einen deutschen Arzt zu haben. Es gibt zwar jede Menge deutscher Namen in meinem Krankenhaus, aber ich thematisiere das normalerweise nicht. Obwohl unsere Namen die gleichen Wurzeln haben, trennt uns die große deutsch-jüdische Tragödie des 20. Jhdts... Man kann gerade bei über 80jährigen nicht voraussetzen, dass es keine Bitterkeit gibt. Daher war ich erleichtert. Und ich habe gleich noch ein bisschen Bronx-Geschichte gelernt: Nachdem meine Patientin als junges Mädchen über Ellis Island eingewandert war, hatten sich ihre Eltern schließlich in der Bronx niedergelassen, die damals fest in europäischer (deutsch/italienisch/irisch/polnisch) Hand war - es gab jede Menge deutscher Geschäfte, koscher oder nicht. Damals war Kingsbridge, besonders um den Grand Concourse (Die Champs Elysées - oder Champs eelysis, wie der Amerikaner sagt - der Bronx) eine geradezu vornehme Gegend, was man manchen Gebäuden dort immer noch ansieht.
(Hier kann man noch mehr Fotos finden). Kaum zu glauben, wie viel seitdem passiert ist. Ganze Völkerwanderungen haben stattgefunden, nur meine Patientin wohnt immer noch in ihrem Häuschen dort und freut sich, dass sie internationale Spezialitäten direkt vor der Haustür einkaufen kann. Das würden in Deutschland wohl nicht so viele über 80jährige so empfinden... In Mannheim vielleicht...
Zugegebenermaßen nerven mich die unterentwickelten, halbzivilisierten Aspekte der Bronx manchmal auch. Wenn wir wenigstens einen LIDL hier hätten... Ist wirklich eine "food desert" hier. Zum Glück kann man nach Little Italy, K-Town oder Chinatown fahren. Und selbst Granola machen. Mehr dazu später - ja, ich will wirklich regelmäßig bloggen!
Diese Dame ist ja fast ein bisschen buddhistisch... Dieses Deutschland, dieses Bronx kommt nicht mehr zurueck...so ist die Welt, so ist das Leben.
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